Kunsthaus Bregenz und vorarlberg museum
1525 – Siegessäule für eine Niederlage
22 | 11 | 2025 – 22 | 02 | 2026
Pressekonferenz
Donnerstag, 20. November, 9.30 Uhr, vorarlberg museum
Eröffnung
Freitag, 21. November, 17 Uhr, vorarlberg museum
1525 entwirft Albrecht Dürer nach der Erhebung der Bauern im selben Jahr ein Denkmal. Der Holzstich, den er als Illustration in seine theoretische Schrift Underweysung der Messung aufgenommen hat, zeigt eine Säule. Ihr Aufbau ist durch Maßzahlen gegliedert, als wolle Dürer den Aufruhr in eine geometrische Ordnung bannen. Die Säule besteht aus gestapelten Alltagsgegenständen: einem Ofen, einer Kanne, einem Bündel Getreide, landwirtschaftlichen Geräten, gekrönt von einer sitzenden Figur, einfach gekleidet, den Hut tief ins Gesicht gezogen, der Rücken von einem Schwert durchbohrt. Dürers Bauernkriegsmonument ist durchaus doppeldeutig. Erinnert es an die Besiegten oder feiert es die Sieger? Ist es eine Mahnung an den unterdrückten Bauernstand, für seine Rechte aufzustehen oder ein Sinnbild für die restaurierte Macht von Kirche und Adel nach der Niederschlagung des Aufstands?
Fast fünf Jahrhunderte später – 1999 und 2019 – greift der deutsche Künstler Marko Lehanka Dürers Entwurf in zwei Versionen auf. Er verwandelt ihn in seiner „Bauernsäule“ in eine fünf Meter hohe Skulptur – humorvoll und kritisch zugleich. Auch hier türmen sich Kannen, Eimer, ein Fass und Fundstücke, darüber eine Getreidegarbe. Ganz oben sitzt eine kleine, groteske Gestalt, die gelassen eine Zigarette raucht, als hätte sie die Geschichte überlebt und dabei ihre Bitterkeit in Gleichmut verwandelt.
Wo Dürer die Gewalt der Geschichte in ein Maßsystem bannte, zeigt Lehanka deren surrealen Nachhall in einer Welt aus Resten und bäuerlichen Artefakten. Seine Arbeit ist zugleich Hommage und Umdeutung: Sie verwandelt das Pathos der Säule – Symbol von Sieg, Ewigkeit und Macht – in Fragilität, Zufall und Humor. Die bäuerliche Figur ist kein Held, sondern ein Überlebender, ein mythisch-schrulliger Zeuge einer vergangenen Welt. Die Bauernsäule Remix 19, 2019, wird so zum Gegendenkmal: eine Erinnerung an den Aufstand von 1525, an das Scheitern der Befreiung und an die Würde jener, die in den Archiven der Geschichte kaum eine Stimme haben – hier aber, zwischen Milchkannen, Hufeisen und einer Perücke, ihr widerspenstiges Denkmal erhalten haben.
Thomas D. Trummer, 6. Oktober 2025

