KUB 2015.03
Joan Mitchell
18 | 07 – 25 | 10 | 2015
Zusammen mit dem Museum Ludwig in Köln und in enger Kooperation mit der Joan Mitchell Foundation in New York präsentiert das Kunsthaus Bregenz eine große Überblicksausstellung der legendären Künstlerin Joan Mitchell (1925—1992). Der Fokus der Schau liegt auf ihrer Malerei, die kunsthistorisch in der Folge des Abstrakten Expressionismus beziehungsweise im Umfeld der New York School verortet wird. Angefangen mit den frühen Werken aus den 1950er Jahren bis hin zum Spätwerk aus ihrer letzten Lebensphase stellt die Ausstellung mit annähernd dreißig teilweise sehr großformatigen, mehrteiligen Bildern eindrücklich eine der bedeutendsten Protagonistinnen der Kunst des 20. Jahrhunderts vor.
Darüber hinaus wird erstmals ein umfassender Blick in das Archivmaterial der Joan Mitchell Foundation möglich, das in seinem Abwechslungsreichtum einen außergewöhnlichen Einblick in das faszinierende Leben der Künstlerin gibt. Anhand von filmischen und fotografischen Aufnahmen, Korrespondenz, Einladungskarten sowie Postern und anderen Ephemera wird so nicht nur die schillernde Person Joan Mitchell ausführlich beleuchtet, sondern auch ihre vielfältigen Beziehungen zu anderen bildenden Künstlerinnen und Künstlern wie auch zu Literaten und weiteren Persönlichkeiten der kulturellen Welt ihrer Zeit. So stand sie in engem Kontakt mit Elaine de Kooning, Jean-Paul Riopelle wie auch mit Frank O’Hara oder Samuel Beckett. Für die Präsentation dieser Archivmaterialien im Kunsthaus Bregenz hat der renommierte Vorarlberger Architekt Bernardo Bader ein Display entwickelt, in dem die historischen Dokumente, Fotografien und Filme präsentiert werden und so in einen spannungsreichen Dialog mit den Werken der Künstlerin treten.
Schon 1959, zu Beginn ihrer Karriere, nahm Joan Mitchell an der documenta II in Kassel teil, ihre Werke sind in den Sammlungen der wichtigsten Museen der USA und Frankreichs vertreten. Die Tatsache, dass ihr dennoch im internationalen Ausstellungswesen bis heute nicht die Beachtung zukommt wie ihren nur unwesentlich älteren männlichen Malerkollegen Jackson Pollock, Franz Kline oder Willem de Kooning, teilt sie mit anderen Malerinnen ihrer Generation. In den letzten Jahren entdecken vor allem junge Künstlerinnen und Künstler Joan Mitchell und ihre Kunst. Für diesen erneuten Dialog gibt neben ihrer emanzipatorischen Haltung nicht zuletzt auch die besondere Positionierung ihrer Malerei Anlass, die — vergleichbar ihrer Biografie — zwischen den verschiedenen kulturellen Welten der USA und Europas angesiedelt ist. 1925 in Chicago geboren, war sie als junge Frau viel auf Reisen, in den 1950er Jahren wechselte Mitchell zwischen New York und Paris, bis sie sich 1959 in Paris und 1968 in Vétheuil, einer kleinen Gemeinde nordwestlich von Paris, niederließ. Schon als Kind bei Besuchen mit ihrem Vater im Art Institute of Chicago von der europäischen Moderne, von van Gogh, Manet und einigen anderen französischen Malern des 19. und 20. Jahrhunderts angezogen, gewann die Kunst Europas für sie mit fortschreitendem Alter zunehmend an Bedeutung.
Zeigt vor allem ihr Frühwerk noch eine deutliche Vorliebe für Werke von Malerkollegen wie Philip Guston oder Willem de Kooning sowie ihre Verbundenheit zum sogenannten Action Painting und zur New York School, so ändert sich die Art ihres gestischen Farbauftrags spätestens mit ihrer Übersiedlung nach Frankreich Ende der 1950er Jahre. Joan Mitchell selbst nennt ab diesem Zeitpunkt Maler wie Vincent van Gogh als Vorbild und macht diesen Bezug auch explizit mit ihren Flowers betitelten Gemälden. Dennoch lassen sich ihre Werke nie eindimensional auf eine bestimmte Referenz festlegen und beziehen ihre Qualität und charakteristische Ausstrahlung gerade durch ihre vielseitige Unabhängigkeit. So schimmern zwar Assoziationen an Lichtstimmungen im Wechsel der Jahreszeiten oder an Bäume und andere Pflanzen in ihren Bildern auf, dennoch behaupten sie sich souverän als abstrakte Malerei. Dieses Changieren zwischen Figuration, Verweis und Abstraktion macht die große Aktualität des Werks von Joan Mitchell nicht nur für junge Künstlerinnen und Künstler aus.
In ihrer absolut eigenständigen Bildsprache treten Konzeption und Emotion in mitunter sehr großen Formaten in einen Dialog, der die Betrachter gleichermaßen sinnlich verführt und intellektuell stimuliert. Vor allem in den späten mehrteiligen Arbeiten öffnen sich Bildräume, deren Farb- und Tiefenakzentuierungen sich einem genauen Ausloten entziehen und die Betrachter förmlich in das Bild aufnehmen, ohne dass dies zulasten einer rationalen Reflexion ginge. Die Ausstellung vereint Arbeiten aus Museen wie dem Museum of Modern Art in New York und dem Centre Pompidou in Paris sowie aus der Joan Mitchell Foundation mit Werken aus Privatsammlungen, von denen manche bisher noch nie oder nur selten in der Öffentlichkeit zu sehen waren.
Maria Flavia Cerrato | Klavier
Morton Feldman, For Bunita Marcus
Mittwoch, 05. August 2015 | 21 Uhr
Dauer: ca. 1,5 Stunden ohne Pause, Eintritt: 15,– EUR
Biografie
Joan Mitchell wurde 1925 in Chicago geboren. Nachdem sie 1947 ihr Studium an der School of the Art Institute of Chicago abgeschlossen hatte, erhielt sie 1948/49 ein Reisestipendium für einen einjährigen Aufenthalt in Frankreich, wo sie ihre Malerei in Richtung Abstraktion weiterentwickelte. Nach New York zurückgekehrt, nahm sie 1951 an der berühmten 9th Street Show teil und erwarb sich schon bald einen Ruf als eine der führenden jüngeren Vertreterinnen der amerikanischen abstrakten expressionistischen Malerei. Im Laufe der nachfolgenden vier Jahrzehnte zeigte sie ihre Werke regelmäßig in Ausstellungen in New York und pflegte enge Freundschaften zu zahlreichen Malern und Literaten der New York School. Ab 1955 lebte sie abwechselnd in New York und Frankreich und ließ sich 1968 schließlich in Vétheuil nieder. In der ländlichen Kleinstadt außerhalb von Paris arbeitete sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1992. Mitchell blieb in ihrer beinahe fünfzig Jahre währenden Auseinandersetzung mit der Malerei den Grundsätzen der gestischen Abstraktion kompromisslos verpflichtet.
Mitchell unterstützte viele junge Künstler persönlich, die sie in Vétheuil aufsuchten — wobei manche nur eine Nacht und andere mitunter einen ganzen Sommer blieben. Aus zahlreichen in ihren Unterlagen erhaltenen Briefen geht hervor, dass ihre Großzügigkeit das Leben derer, die Zeit mit ihr verbrachten, oft nachhaltig veränderte. Die in ihrer eigenen Lebenszeit gezeigte Großherzigkeit setzte sich nach ihrem Tod mit der Gründung der Joan Mitchell Foundation fort, die sie für die Unterstützung von Künstlern testamentarisch ins Leben gerufen hatte. Darüber hinaus umfasst die Mission der Stiftung die Förderung und Pflege ihres Nachlasses, der außer ihrem bemerkenswerten Werk auch ihre persönlichen Dokumente umfasst, einschließlich aller Briefwechsel und Fotografien sowie anderer Archivmaterialien, die mit ihrem Leben und Werk in Zusammenhang stehen.
»Die Schau in Bregenz vereint Hauptwerke aus den großen Museen der Welt mit selten gezeigten Malereien aus Privatsammlungen.«
monopol
»Sie fluchte wie ein Seemann, brachte die Poesie in den Abstrakten Expressionismus und bot Machos der New Yorker Kunstwelt die Stirn. Jetzt wird Joan Mitchell mit großen Ausstellungen in Bregenz und Köln endlich aus dem Schatten von Pollock, Rothko und de Kooning geholt.«
art. Das Kunstmagazin
»You can’t overlook a Joan Mitchell painting once in its range.«
ARTFORUM
»Das Leben der Joan Mitchell war ein einziges Schlachtfeld, nur die Leinwand der Ort, an dem sich alles fügte. Erst heute erkennen wir langsam ihre wahre Bedeutung.«
BLAU. Ein Kunstmagazin
»Auf vier Stockwerken sind vier Jahrzehnte Malerei versammelt, die nicht nur die Befreiung der Malerei vom Gegenstand thematisieren, sondern ein außergewöhnliches, im Umfeld des Abstrakten Expressionismus und der New York School entstandenes Werk in den Fokus rücken, das lange Zeit zu wenig wahrgenommen wurde.«
VN
»In der puren Architektur des Kunsthauses wirken die gestischen Gemälde in ihrer strahlenden Leuchtkraft nicht nur erstaunlich frisch, sondern kommen zeitgenössischen Setzungen gleich und sind vielleicht gerade deswegen im aktuellen Diskurs auch für eine jüngere Künstlergeneration von Bedeutung.«
NEUE, Vorarlberger Tageszeitung
»In ihren teils großflächigen, farbwuchernden Bildern schimmern Assoziationen zu Motiven auf, verankert bleiben sie aber in der abstrakten Malerei.«
Salzburger Nachrichten (APA)
»Welche Weite, welche Tiefe! Ja, in den Bildwelten von Joan Mitchell kann man sich verlieren.«
Schwäbische Zeitung
»Selten entwickelt abstrakte Malerei einen so unmittelbaren Sog wie jene der frühen Joan Mitchell.«
Augsburger Allgemeine
»The Ladypainter, wie sie sich selbst einmal spöttisch mit einem Seitenhieb gegen die allgegenwärtigen Testosteron-Chefs im Kunstbetrieb bezeichnet hat, war sich bis zuletzt treu geblieben – störrisch, diszipliniert, stets angespannt und, wie sich nun in Bregenz zeigt, in zeitloser Wirkmacht.«
taz
»Ständig scheint auf diesen Leinwänden etwas außer Kontrolle zu geraten und dennoch im Gleichgewicht zu bleiben.«
Profil
»In Bregenz trumpft man aber mit der weitläufigen Betonarchitektur von Peter Zumthor auf, die wie gemacht erscheint für die riesigen Leinwände. Mit Sofa-Größen gab sich Mitchell nie ab.«
Frankfurter Rundschau
»Im Kunsthaus Bregenz ist eine Künstlerin zu entdecken, die zu Unrecht zu den großen Unbekannten gehört.«
Ö1 Mittagsjournal
»Ihr Leben ist eine Geschichte der Emanzipation, ihre Malerei ein Versprechen von Freiheit. Hier zu Lande sind ihre Werke und ihr Leben wenig bekannt und das soll sich nun mit der Sommerausstellung im Kunsthaus Bregenz ändern.«
Zeit im Bild, ORF