KUB 2022.01
Dora Budor
19 | 03 – 26 | 06 | 2022
Die in Kroatien geborene Künstlerin Dora Budor, die zunächst ein Architekturstudium absolvierte, begreift Gebäude und Institutionen als Systeme, die nicht nur von tektonischen Bedingungen und ihrer eigenen Infrastruktur, sondern auch von Genderaspekten geprägt sind. Im Gegensatz zur Architektur – einer ästhetischen Aufgabe – verfolgt sie eine Strategie des selektiven Auseinandernehmens. In Continent löst Budor eine Irritation im Zumthor-Bau aus. Sie untersucht den physischen Baukörper mit einer Reihe von Interventionen, wobei sie Abläufe in den Blickpunkt rückt, die normalerweise im Verborgenen geschehen. Sie verschiebt externe Strukturen ins Innere und erzeugt Resonanzen im Unsichtbaren.
Auf der nordöstlichen Seite des Kunsthaus Bregenz befindet sich in einem Abstand von einem Meter zur Fassade eine Einstiegsöffnung. Durch diese Luke erreicht man den unterirdischen Kollektorgang, der sich um das Fundament des gesamten Gebäudes zieht. Seine sogenannten Schlitzwände reichen senkrecht in die Tiefe und spiegeln dabei die Höhe der oberirdischen Konstruktion wider. Sie haben die Funktion, ein Einstürzen der angrenzenden Gebäude zu vermeiden und das Versickern des Grundwassers vom nahegelegenen Berg Pfänder und aus dem Bodensee zu kontrollieren.
Auf dem ersten der drei KUB Geschosse verschließt Budor den Raum unter Einsatz der ihm eigenen Begrenzungen. Latexabdrücke der Schlitzwände im Untergrund stehen an den Wänden des Ausstellungsraums und versperren die Eingänge. Mithilfe des normalerweise für Konservierungszwecke verwendeten Latex wurden Schichten von den unterirdischen Oberflächen abgetragen und Sedimente und Rückstände entfernt, die sich dort über Jahre hinweg abgelagert hatten. Das aus drei Teilen bestehende Werk Kollektorgang (I – XIV), (XV – XXIV), (XXV – XXIX), alle 2021, ist insgesamt 29 Meter lang – was exakt der Länge und Breite der Grube entspricht, die für das Fundament des Gebäudes ausgehoben wurde.
Als Weiterentwicklung neuerer Arbeiten Budors, die sich mit Stoffwechselprozessen auseinandersetzen, verdaut die Institution somit ihren eigenen Unterbau. Die verwendeten Materialien stammen vom Ort der Ausstellung (Bregenz) oder Budors Produktionsstätte (Berlin): geschreddertes Papier aus dem KUB Verwaltungsgebäude, das als strukturelle Masse für Kollektorgang dient, Kaffeesatz von der KUB Café Bar, verdichtet zu Pucks (bagarreurs), 2021, oder ein Leihfahrrad in Something To Remind Me, 2021. Die Materialien schmelzen oder erstarren, verfestigen sich zu unterschiedlichen Formen und Bedeutungen. Im Raum sprengen sie die gewöhnlichen Hierarchien des Sehens und schaffen andersartige Bedingungen für Aufmerksamkeit und Zeit.
Das Gebäude wird durch ein System von Rohrleitungen belüftet. Insgesamt wurden Rohre von 28 Kilometern Länge in die Wände verlegt. Termites, 2022, sind fernbediente Sexspielzeuge, die im Inneren der Lüftungsrohre vibrieren. Die Luft trägt die so erzeugten Schwingungen durch schmale Schlitze in den Ausstellungsraum. Zirkulation wird zum Medium in ihrer sublimiertesten Form – der Luft, die wir einatmen.
Biografie
Dora Budor (*1984, Zagreb) ist Künstlerin und Schriftstellerin. Sie lebt und arbeitet in New York.
2022 sind Ausstellungen im Kunsthaus Bregenz und der Galleria d’Arte Moderna e Contemporanea (GAMeC), Bergamo, geplant. Ihre jüngsten Einzelausstellungen waren Autoreduction in Progetto, Lecce (2021), I am Gong in der Kunsthalle Basel (2019), Benedick, or Else bei 80WSE, New York (2018), Ephemerol bei Ramiken Crucible, New York (2016), sowie Spring am Swiss Institute, New York (2015).
Ihr Werk wurde in zahlreichen Gruppenausstellungen präsentiert, u. a. im Palazzo delle Esposizioni, Rom (2021), Migros Museum, Zürich (2021), Schinkel Pavillon, Berlin, (2021), Kunst Museum Winterthur (2021), Museum für Moderne Kunst in Warschau (2020), MO.CO. Panacée, Montpellier (2020, 2018), Kunstverein Nürnberg (2019), Kunsthaus Pasquart, Biel (2018), Louisiana Museum of Modern Art, Humlebæk (2017), Palais de Tokyo, Paris (2017), chi K11 Art Museum, Shanghai (2017), Whitney Museum of American Art, New York (2016), Swiss Institute, New York (2016), Museum Fridericianum, Kassel (2015), und im Künstlerhaus, Graz (2015).
Sie war Teilnehmerin der Oxygen Biennial, Tiflis(2021), dem 58. October Salon, Belgrade Biennale (2021), der 2. Riga International Biennial of Contemporary Art (2020), der Geneva Biennale: Sculpture Garden (2020), der 16. Istanbul Biennial (2019), der 13. Baltic Triennial (2018), der Vienna Biennale (2017) sowie der 9. Berlin Biennale (2016).
Dieses Jahr, 2022 wird Budor an der 59. Biennale in Venedig teilnehmen, die den Titel The Milk of Dreams trägt.
Budor wurde 2014 mit dem Emerging Artist Grant der Rema Hort Mann Foundation ausgezeichnet und erhielt 2018 ein Stipendium der Pollock-Krasner Foundation. 2019 erhielt sie ein Guggenheim Stipendium für Bildende Kunst.
Programm
Das Programm im ersten KUB Untergeschoss ist Teil der Ausstellung. Jede der Arbeiten ist an einem speziellen Wochentag zu sehen.
Dienstag
Eduardo Williams mit Mariano Blatt
Parsi, 2018
Farbe, Ton, Dauer: 23:08 Min.
Courtesy the artists
Mittwoch
Moyra Davey
Hell Notes, 1990 / 2017
Super-8-Film mit Ton, übertragen in HDV, Dauer: 26:16 Min.
Courtesy Galerie Buchholz, Berlin / Köln / New York
Donnerstag
Sarah Rapson
(Tell me what you want), 1997
Tonaufnahme, Dauer: 16:13 Min.
Courtesy the artist und Maxwell Graham / Essex Street, New York
Freitag
Hannah Black
The Neck, 2015
Farbe, Ton, Dauer: 3:15 Min.
Courtesy the artist und Arcadia Missa, London
Wochenende
Rosemarie Trockel
Parade, 1993
Farbe, Ton, Dauer: 11:43 Min.
Courtesy Sprüth Magers / Copyright Rosemarie Trockel und VG Bild-Kunst, Bonn, 2022